Stuttgart, 22. Juni 2010.
Das Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen DGNB wird mit hoher Geschwindigkeit ausgebaut. Zu den Nutzungsprofilen, die bereits für Neubauten erfolgreich in Anwendung sind, gehören Büro- und Verwaltungsgebäude, Industrie- und Handelsbauten, Bildungsbauten und Wohngebäude. Nachdem der Schwerpunkt bisher auf Neubauten lag, entwickelt die DGNB nun Schritt für Schritt die Zertifizierungsgrundlagen für Bestandsgebäude. Auf der Consense 2010, dem Jahreskongress der DGNB am 22. und 23. Juni in Stuttgart, werden schon die ersten Zertifikate im Nutzungsprofil „Modernisierung Büro- und Verwaltungsgebäude“ verliehen.
Bei der Entwicklung neuer Nutzungsprofile legt die DGNB großen Wert darauf, dass der Aufwand bei einer Zertifizierung so gering wie möglich ist. Dies betrifft nicht nur die einzureichenden Nachweise, denn diese basieren zum größten Teil auf Dokumentationen, die im Rahmen eines regulären Planungs- und Bauprozesses sowieso erforderlich sind. Ein Pluspunkt ist auch, dass alle neuen Nutzungsprofile durchgängig der DGNB Systematik entsprechen. Dadurch sind Auditoren, Konformitätsprüfer und andere Beteiligte mit dem Zertifizierungsverfahren in den Grundsätzen vertraut. Dies hält den Umfang erforderlicher Weiterbildungen gering und reduziert den Abwicklungsaufwand in vielen Details.
„Die durchgängige Systematik ist auch der Grund, warum wir in hoher Geschwindigkeit neue Nutzungsprofile entwickeln können,“ fasst Lemaitre zusammen. Diese Möglichkeit, in kurzer Zeit maßgeschneiderte Nutzungsprofile auf den Markt zu bringen, hebt das DGNB Zertifikat von anderen internationalen Labels für ökologisches oder nachhaltiges Bauen ab. „Die Geschwindigkeit der DGNB hat noch einen weiteren guten Grund: unsere starke Mitgliederbasis. Derzeit arbeiten rund 320 Mitglieder an neuen Nutzungsprofilen.“ Alle Arbeitsgruppen sind interdisziplinär besetzt und bestehen in der Regel aus Architekten, Investoren, Projektentwicklern und Vertretern von Kommunen, Industrieunternehmen sowie weiteren Experten der Bau- und Immobilienwirtschaft.
Als Basis der DGNB Systematik dient ein übersichtliches Kernsystem mit den zentralen Kriterien des nachhaltigen Bauens. Arbeitsgruppen leiten aus diesem Kernsystem ab, wie die Kriterien und Bewertungsgrundlagen eines neuen Nutzungsprofils konkret ausgestaltet werden. Hierzu gehört, die Kriterien für jedes Nutzungsprofil individuell zu gewichten und die Grenz-, Referenz- und Zielwerte individuell zu justieren. Bei Bildungsbauten spielt beispielsweise der akustische Komfort eine größere Rolle als in Industriebauten, und die Anforderungen an die Raumluftqualität sind in Bürogebäuden höher als in Handelsbauten. Mehrfache Qualitätskontrollen und ein umfassender Praxistest machen jedes neue Nutzungsprofil passgenau für das jeweilige Marktsegment.
Da das DGNB Zertifizierungssystem die verschiedenen Aspekte des nachhaltigen Bauens ausgewogen berücksichtigt, eignet es sich nicht nur für die Bewertung von Gebäuden, sondern auch als Optimierungsinstrument für die Planung.
Die aktuellen Nutzungsprofile im Überblick:
Neubau Handelsbauten, Verbrauchermärkte:
Zu diesem Nutzungsprofil zählen Supermärkte und Fachmärkte wie Drogerie- oder Baumärkte. In die Bewertung fließt sowohl die Performance des Gesamtgebäudes als auch die des Ausbaus mit ein. Aufgrund des hohen Energie- und Medienverbrauchs in Handelsbauten liegt hier ein Bewertungsschwerpunkt. Zudem wurde der Aspekt der Familienfreundlichkeit integriert.
Neubau Handelsbauten, Einkaufszentren:
Unter Einkaufszentren werden zentral geplante, großflächige Versorgungseinrichtungen gefasst, in denen Einzelhandels-, Gastronomie- und Dienstleistungsunternehmen räumlich konzentriert sind. Bei der Bewertung von Einkaufszentren werden in erster Linie die Erschließungs-, Versorgungs- und Bewirtschaftungsflächen einschließlich deren Ausbau betrachtet. Nur eingeschränkt berücksichtigt wird hingegen der Ausbau durch die einzelnen Mieter. Die Aspekte Energiebedarf und Familienfreundlichkeit nehmen in diesem Nutzungsprofil ebenfalls eine zentrale Rolle ein.
Neubau Industriebauten, Logistikgebäude:
Logistikgebäude definieren sich als Gebäude, die für die Verteilung, die Zustellung und den Vertrieb von Gütern genutzt werden. Im Unterschied zu anderen Nutzungsprofilen wird bei der Bewertung von Logistikbauten eine verkürzte Nutzungsdauer von 20 Jahren zu Grunde gelegt. Eine höhere Aufmerksamkeit kommt in diesem Nutzungsprofil dem Standort zu. Zudem schlägt sich der Aspekt der Erreichbarkeit für Menschen und Güter in der Bewertung nieder.
Neubau Industriebauten, Produktionsstätten:
Das Nutzungsprofil deckt alle Gebäude ab, in denen aus Rohstoffen oder Vorprodukten etwa durch Arbeitsleistung und Energieeinsatz Wirtschafts- oder Gebrauchsgüter erzeugt werden. Bei der Bewertung des Gebäudes wird ebenfalls eine verkürzte Nutzungsdauer von 20 Jahren zu Grunde gelegt. Ein wichtiges Merkmal bei der DGNB Bewertung von Produktionsstätten ist die getrennte Betrachtung von Arbeits- bzw. Produktionsflächen und Büroarbeitsplätzen.
Neubau Bildungsbauten:
Unter Bildungsbauten fasst die DGNB Kindergärten, Schulen, Weiterbildungseinrichtungen sowie Universitätsgebäude und deren Räume, die hauptsächlich für Seminare, Vorlesungen oder als Klassenzimmer genutzt werden. In die modular aufgebaute Bewertung fließt auch die von Nebennutzungen wie Büros, Küchen, Mensen, Bibliotheken oder Sporträumen ein. Separate Gebäude wie Sporthallen, Bibliotheken oder Kantinen werden dagegen nicht betrachtet. Die Gestaltung von Außenanlagen wird aufgrund ihrer hohen Bedeutung für Nutzer bei der Bewertung berücksichtigt.
Neubau Wohngebäude:
Mit diesem Zertifikat können Wohngebäude mit mehr als sechs Wohneinheiten ausgezeichnet werden. Ein Fokus der Bewertung liegt auf Komfort und Wohlbefinden der Nutzer. Somit schlagen sich Kriterien wie Schallschutz, räumliche Flexibilität und Innenraumhygiene deutlich in der Gewichtung nieder. Niedrige Betriebskosten und der Werterhalt von Wohngebäuden sowie die Qualität der Wohnungen selbst nehmen ebenfalls eine zentrale Rolle in der Bewertung ein.
Neubau Büro- und Verwaltungsgebäude:
Dieses Zertifikat steht für alle Gebäude bereit, die überwiegend für Büro- und Verwaltungstätigkeiten genutzt werden. Außer ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten liegt ein Schwerpunkt der Bewertung auf dem Nutzerkomfort – etwa in akustischer, thermischer und visueller Hinsicht –, der großen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und Motivation von Arbeitskräften hat.
Modernisierung Büro- und Verwaltungsgebäude:
Das Nutzungsprofil bezieht sich auf Bestandsgebäude, die überwiegend für Büro- und Verwaltungstätigkeiten genutzt werden und durch relevante Maßnahmen, etwa an der Fassade oder bei der technischen Gebäudeausrüstung, modernisiert wurden. Großen Stellenwert bei der Bewertung hat das Erfassen von Betriebs- und Amortisationskosten, so dass sich das Zertifizierungssystem in besonderem Maße als Optimierungsinstrument für Architekten und Bauherren in der Planungsphase eignet.